Marcel Reich-Ranicki, Literaturkritiker, ist mit 93 Jahren tot
Marcel Reich-Ranicki (1920-2013) war der bekannteste und einflussreichste Literaturkritiker der Bundesrepublik. Er überlebte das Warschauer Ghetto und übersiedelte 1958 von Polen in die Bundesrepublik Deutschland. Er war Kritiker zunächst für die Zeitung Die Zeit, dann für die Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Marcel Reich wurde am 2. Juni 1920 in Włocławek, Polen, als Sohn des Kaufmanns David Reich und seiner deutschstämmigen Frau Helene geboren. Sein Großvater mütterlicherseits war Rabbiner, obwohl seine Mutter mit dem Judentum brach und auch ihren Sohn Marcel rechtgläubig erzog.

Als das Geschäft seines Vaters in Konkurs ging, zog die Familie 1929 nach Berlin, um bei Verwandten seiner Mutter zu leben. Hier entwickelte Marcel schon in seiner Schulzeit seine Leidenschaft für die deutsche Literatur.
Im Oktober 1938 wurde Marcel Reich aus Deutschland ausgewiesen und nach Polen deportiert. Er lebte mit seinem Bruder und seinen Eltern in Warschau. Dort las er viel Literatur deutscher Expatriates; später würde er sich weiterhin intensiv damit beschäftigen.

Seine Schwester Gerda und ihr Mann Gerhard Böhm konnten kurz vor Kriegsausbruch nach England fliehen. Auch einige seiner Cousins konnten nach Großbritannien ausreisen, darunter der Künstler Frank Auerbach.
Im Januar 1940 lernte Marcel Reich seine spätere Ehefrau Teofila (genannt Tosia) Langnas (1920 Lodz – 2011 Frankfurt) kennen, kurz nachdem sich ihr Vater erhängt hatte, nachdem er von einem deutschen Soldaten gedemütigt worden war.

Im Sommer 1940 befahl die deutsche Besatzungsmacht die Errichtung des Warschauer Ghettos. Marcel Reich wurde aufgrund seiner guten Deutschkenntnisse Leiter der Übersetzungsabteilung des Jüdischen Verwaltungsrates.
1999 erschien die Autobiografie von Marcel Reich-Ranicki unter dem Titel Mein Leben. Es war vom 11. Oktober 1999 bis 15. Oktober 2000 auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste und damit eines der erfolgreichsten Bücher der Zeitgeschichte. Ein gleichnamiger Film, der auf diesen Memoiren basiert, wurde 2009 gedreht.
